Passionsspiele Neumarkt im 17. Jahrhundert

Passionsspiele im 17. Jahrhundert

Ursprung und Frömmigkeit

Im Zeitalter des Barock prägten Prozessionen und geistliche Spiele das religiöse Leben. Auch in Neumarkt wurden damals erste Passionsdarstellungen aufgeführt, getragen von Kapuzinern und der Corpus-Christi-Bruderschaft.

Die Anfänge der Passionsspiele im 17. Jahrhundert

Das geistliche Volksschauspiel

Bekanntlich erlebte das geistliche Volksschauspiel im Zeichen barocker Frömmigkeit seine größte Blüte. Insbesondere die dramatische Präsentation der Leidensgeschichte Jesu Christi geriet im 17. und 18. Jahrhundert gleichsam zu einer "Pflichtaufgabe" (Walter Hartinger) von Kleinstädten, Märkten und Dörfern. Allein in den heutigen Regierungsbezirken Ober­und Niederbayern, Oberpfalz und Schwaben lassen sich vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts na­hezu 200 Spielorte festmachen. In großer Dichte wurde das biblische Geschehen "gleich einer Biblia pauperum zur Erbauung des Volkes mit allen Mitteln barocker Theaterkunst vorgeführt."

Die Ursprünge in Neumarkt

Die Ursprünge des religiösen Theaterspiels in Neumarkt liegen im Dunkeln. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte die Passionsspieltradition in die Zeit der Gegenreformation und katholischen Erneuerung zurückreichen. Sie ist Teil einer von der Papstkirche geförderten Praxis der bildhaften Vergegenwärtigung der Heilslehre, die mit den liturgischen Neuerungen des Konzils von Trient eingeführt worden waren. Unmittelbare Impulse dürften dabei von den Kapuzinern ausgegangen sein, die 1627 in Neumarkt einzogen. Durch ihr geistliches Wirken prägten die Patres in starkem Maße das katholische Leben in der Stadt. Insbesondere mit der Inszenierung großer Umzüge zum Besuch der Heiligen Gräber oder am Karfreitag sorgten sie für die sinnliche Erfahrbarkeit des Religiösen, womit sie die Frömmigkeit der Bevölkerung wesentlich zu vertiefen und zu vermehren vermochten.

Die Corpus-Christi-Bruderschaft

Die Mitglieder der Corpus-Christi-Bruderschaft, gegründet 1628, über­nahmen die Organisation und Gestaltung dieser Prozessionen. Mit einer Reihe von Darstellungsmitteln suchte man die sinnliche Ausdruckskraft zu erhöhen. Beliebt waren bildliche Darstellungen und hölzerne Figuren, die aufTragegestellen und Wagen mitgeführt wurden, oder die von den Gläu­bigen vorgestellten „Lebenden Bilder". In den Bruderschaftsrechnungen sind Ausgaben für Bildentwürfe ("Verförttigung 4 grosser Scenen") eben­so verzeichnet wie Reparaturen an „figurcn und wägen";'• .iuf die „alhier gewöhn! [iche]" Praxis verweist noch ein Spielgesuch des Jahres 1782, in dem von "Lebendigen Persohnen auf Wägen, oder Tragbühnen, und zu Fues" zu lesen ist. Das erwähnte Bittschreiben nennt einen 11Vorrath von Triumpf Wägen, Tragbühnen, dann andern Kleydungen", den die Cor­pus-Christi-Bruderschaft zusammengetragen hatte. Welche lebenden und gemalten Bilder zur Versinnlichung bzw. Vertiefung der Bibeltexte mitge­führt wurden, ist in einigen Fällen dokumentiert: Fall Christi (1657), Herz Jesu (1693), Fegfeuer (1695), Drache und Einhorn (1695). 

Ausdruck gelebter Buße

Vom schonungslosen Ernst der bußwilligen Prozessionsteilnehmer zeugt die große Zahl an Geißlern, Kreuzschleppern und ,,Ausgespannten" mit ausgebreiteten Armen, die ihr gläubiges Mitleiden, ihre "compassio", auf drastische Weise zum Ausdruck brachten. Regelmäßig verzeichnen die Rechnungen der Corpus-Christi-Bruderschaft Ausgaben für die Anfertigung von Geißeln, Geißelröcken und Geißelhauben bzw. für deren Reinigung sowie für den Bader oder den Apotheker, die Salben "vor Labung denen Geislern" herstellen mussten; für diese Gruppe der Mitziehenden wurde der Leidensweg Jesu geradezu physisch greifbar.